Vereinfachtes Verfahren zum gemeinsamen Sorgerecht
Mit der Neuregelung des § 1626a BGB ist keine positive Feststellung mehr notwendig, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl entspricht.
Vielmehr geht die neue Fassung des § 1626a BGB davon aus, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl grundsätzlich nicht widerspricht, also im Zweifel gemeinsames Sorgerecht zuzuerkennen ist. Danach muss also der Elternteil, der die gemeinsame Sorge abwehren will, konkrete Gründe gegen die gemeinsame Sorge darlegen.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht steht § 155a Abs. 3 FamFG zur Verfügung, wonach die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts in einem vereinfachten schriftlichen Verfahren erfolgen kann. Nur wenn für das Gericht erkennbar ist, dass in dem konkreten Fall eine Kindeswohlprüfung notwendig ist, ist ein reguläres Sorgerechtsverfahren durchzuführen.
Nach Ansicht der meisten Obergerichte ist die Kindeswohlprüfung durch die Neuregelung erheblich abgesenkt, weshalb die allgemeine Behauptung von Kommunikationsproblemen nicht ausreicht, um die gemeinsame Sorge abzuwehren. Notwendig sei vielmehr eine schwere, nachhaltige Störung, die befürchten lasse, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind durch die gemeinsame Sorge deshalb erheblich belastet würde, so z. B. das OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.09.2013 – 9 UF 96/11.
Das OLG Frankfurt (Main) hat in seinem Beschluss vom 20.01.2014 – 1 UF 356/13 – jedoch die Einleitung eines regulären Sorgerechtsverfahrens in einem Fall für notwendig erachtet, in dem die Kindesmutter zwar in ihrer Stellungnahme zum Antrag des Kindesvaters angegeben hat, dass sie im Grunde nichts gegen die gemeinsame elterliche Sorge habe, jedoch auch mitgeteilt hat, dass der Kindesvater nicht mit ihr spreche.
Das OLG Frankfurt wies in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass es für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach wie vor einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Eltern, eines Mindestmaßes an Übereinstimmung sowie Kooperationsbereitschaft bedürfe. Die Äußerung der Kindesmutter, dass der Kindesvater nicht mit ihr spreche, sei Anhaltspunkt dafür, dass es hieran fehle. Aus diesem Grund dürfe die Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge nicht in einem vereinfachten schriftlichen Verfahren fallen. Vielmehr habe in einem regulären Sorgerechtsverfahren eine Kindeswohlprüfung zu erfolgen.
Verfasserin des Artikels ist Rechtsanwältin Judith Weidemann, zugleich Fachanwältin für Familienrecht
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