Alleiniges Sorgerecht aus Gründen der Kontinuität
Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hatte am 11.10.2012 über einen Fall zu entscheiden, in dem die Eltern über Jahre hinweg derart heftig über die Belange des Kindes stritten, dass schließlich das Sorgerecht ausschließlich aus Gründen der Kontinuität dem einen Elternteil übertragen worden ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2012 – 9 UF 91/11).
Die Eltern des betreffenden Kindes beschäftigen seit mehreren Jahren in einem immer heftiger ausgetragenen Streit über die elterliche Sorge, den Umgang und den Aufenthalt des Kindes die Familiengerichte in Deutschland und Frankreich.
Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes lebten die Eltern gemeinsam in Frankreich und übten das Sorgerecht zunächst gemeinsam aus. Bereits kurz nach der Geburt trennten sich die Eltern und die Mutter lebt seitdem mit dem Kind in Deutschland, wo das Kind inzwischen auch zur Schule geht. Der Vater hatte zunächst regelmäßig Umgang mit dem Kind. Es kam dann aber zum Streit über das Umgangsrecht, die Frage, wie gewährleistet werden kann, dass das Kind auch mit der französischen Kultur und Sprache aufwächst und schließlich zur Frage des Sorgerechts insgesamt. Die Auseinandersetzungen der Eltern dauerten zum Zeitpunkt der oben genannten Entscheidung nahezu 12 Jahre an und das Gericht hat das Kind in der persönlichen Anhörung als inzwischen erheblich durch den anhaltenden Streit der Eltern belastet erlebt.
Hinsichtlich der Eltern hat das Gericht festgestellt, dass diese vollkommen zerstritten seien, sich gegenseitig nicht wertschätzten und keiner von ihnen bereit sei, im Interesse des Kindes Abstriche von seinen eigenen Positionen zu machen, so dass weder hinsichtlich der Bindungstoleranz, der Förderung des Kindes, noch der Bindung des Kindes an einen Elternteil, dem einen oder anderen Elternteil der Vorzug zu geben war.
Allein der Grundsatz der Kontinuität führte schließlich dazu, dass die gemeinsame Sorge aufzuheben und der Kindesmutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen war.
Bei dem Grundsatz der Kontinuität, kommt es auf die Frage an, bei welchem Elternteil das Kind in der Vergangenheit gelebt hat und die größeren familiären und sozialen Bindungen bestehen, sowie zu erwarten ist, dass diese Bindungen für die stabile und gesunde psychosoziale Entwicklung des Kindes wichtig sind.
Verfasserin des Artikels ist Rechtsanwältin Judith Weidemann, zugleich Fachanwältin für Familienrecht
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